aktualisiert: 18.06.2020

Die Entwicklung von Coronavirus-Impfstoffen und Medikamente läuft auf Hochtouren. Derzeit zeichnen Modellierungsstudien verschiedene Szenarien zur Eindämmung des Coronavirus auf, wie etwa die vielbeachtete Studie des Imperial College London. Dabei kommen alle auf den gleichen Nenner: Durch Ergreifen von Maßnahmen wird wertvolle Zeit gewonnen, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten und um Coronavirus-Impfstoffe und Medikamente auf den Weg zu bringen.

 

Die Forschung und Entwicklung an Impfstoffkonzepten ist im vollen Gange. Sie liefert vielversprechende Ansätze und Konzepte, die sich teilweise bereits in klinischen Studien befinden. Aktuell gibt es ehr als 90 Impfstoff-Projekte von Einzelunternehmen sowie als Kooperationen, einige davon werden von CEPI, der Coalition for Epidemic Preparedness Innovations, finanziell unterstützt. Die Initiative vernetzt Stiftungen (wie etwa die Bill & Melinda Gates Foundation), Forschungseinrichtungen und Pharma-Unternehmen. Ziel dabei ist, auf Epidemien besser vorbereitet zu sein und auch Impfstoffe gegen besonders gefährliche Krankheitserreger zu entwickeln. Wie z. B. aktuell Coronavirus-Impfstoffe.

 

Auf herkömmlichen Impfverfahren aufbauen

Mit herkömmlichen Impfverfahren hat man bereits viel Erfahrung gewinnen können und deshalb werden derzeit Ansätze geprüft, die schnell darauf aufbauen können. Bei der passiven Immunisierung handelt es sich um Verfahren mit Antikörpern gegen das Virus sowie Impfung mit Oberflächenstrukturen von Viren. Coronavirus-Impfstoffe können darauf aufbauen.

 

Genbasierte Impfverfahren als neuer Ansatz

Zusätzlich zu diesen Ansätzen verdienen auch die neuen genbasierten Impfverfahren eine Beachtung. Der Vorteil: Es kann damit eine größere Menge von Impfstoff in kurzer Zeit hergestellt werden, da der Impfstoff relativ einfach aufgebaut und leicht herzustellen ist. Neben einigen anderen Unternehmen rücken hier vor allem die kollaborierenden Unternehmen BioNTech (Mainz) mit Pfitzer sowie das Tübingen Unternehmen CureVac ins Blickfeld. Beiden Unternehmen hat das Paul-Ehrlich-Institut die Genehmigung zum Start der klinischen Phase erteilt. Ihr Konzept ist die Nutzung von mRNA als therapeutisches Molekül: Der Impfstoff enthält nicht Bestandteile des Virus direkt, sondern – anhand der sequenzierten Daten zum Erbgut von SARS-CoV-2 – nur die Bauanleitung dafür, in Form einer messenger-RNA. Diese mRNA wird von den Zellen aufgenommen und in den Ribosomen, der Proteinmaschinerie der Zelle, „ausgelesen“. Das daraufhin produzierte virale Protein wird von dem Immunsystem erkannt und bildet gegen dieses Antigen Antikörper. Dieser Impfstoff liesse sich leicht in großen Mengen produzieren und könnte demnach der optimale Pandemie-geeignete Impfstoff sein. Das Verfahren dieser aussichtsreichen Methode ist im Artikel über CureVac genauer beschrieben.

Die Crux: Bisher ist noch kein genetischer Impfstoff zugelassen, allerdings hat beispielsweise CureVac bereits lange Erfahrung und große Datenmengen zu anderen Ansätzen, wie z. B. zum mRNA-basierten Tollwut-Vakzin, das sich ebenfalls bereits in klinischen Studien befindet. Zudem gibt es seit Kurzem auch erste mRNA-basierte therapeutische Medikamente gegen seltene Krankheiten, erste Erfahrung mit dieser Molekül-Klasse sind bereits vorhanden.

 

Coronavirus-Impfstoffe mit Booster-Effekt

Auch Adjuvanzien, also Wirkverstärker in Impfstoffen, wie sie etwa das Unternehmen GSK beisteuern, haben eine große Bedeutung bei der Impfstoffentwicklung. Im Nationalen Pandemieplan des Robert-Koch-Instituts ist dies im Fall der Influenza-Impfstoffe beschrieben. Neuartige Adjuvanzien könnten dabei zu einer deutlichen Verstärkung der Antikörperantwort nach der Impfung führen. Durch diesen Booster-Effekt lässt sich die pro Impfdosis erforderliche Menge an Antigen reduzieren. Gerade im Pandemiefall ist eine hohe Zahl an schnell verfügbaren Impfdosen extrem wichtig.

Welche medikamentösen Ansätze gibt es?

Derzeit werden viele Medikamente gegen das neue Corona-Virus erprobt, wie etwa das gegen Ebola entwickelte Virostatikum Remdesivir, das aktuell in Deutschland getestet wird. Auch laufen bereits Studien mit Freiwilligen zu monoklonalen Antikörpern, die ursprünglich Behandlung des MERS-Coronavirus entwickelt wurden, sowie Testungen zu Antikörpern, die gegen das 2003 kursierende SARS-Virus eingesetzt wurden.

 

Wie ist das mit der Zulassung?

Klar ist: Der Fokus richtet sich hauptsächlich auf Impfstoffe. Entsprechend stellt sich vielerorts die Frage nach einer verkürzten Zulassung. Das Robert-Koch-Institut beschreibt im Nationalen Pandemieplan (Teil II; seit 05.03.2020 auch eine allg. Ergänzung zu COVID-19), wie z. B. die Influenza-Impfung bewerkstelligt wird. Da sich die Antigene in diesem Fall kontinuierlich ändern, wird der Influenza-Impfstoff jedes Jahr datengestützt in leicht veränderter Form auf den Markt gebracht. Für die saisonale Grippe liegte bereits eine jahrzehntelange Erfahrung in der Anwendung in der Bevölkerung mit umfangreicher Wirk- und Sicherheitsdatenbasis vor. Dies ermöglicht eine gewisse Flexibilität und ein beschleunigtes Zulassungsverfahren.

Man würde sich nun auch eine solche Flexibilität bzw. Abkürzung in der Zulassung eines neu entwickelten Impfstoffs gegen COVID wünschen. Im Falle der akuten Corona-Virusinfektion müssten die Zulassungsvorgänge im Vergleich zur Influenza dann noch stärker beschleunigt werden. Das bedeutet, der Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit müsste mit weniger Studiendaten erfolgen als normalerweise üblich.

Einige Wissenschaftler stellen bereits Überlegungen an, wie Erfahrungen genutzt und Verfahren für Coronavirus-Impfstoffe angepasst werden könnten. So könnte beispielsweise ein weit entwickelter, bereits klinisch getesteter Impfstoff, wie etwa der gegen das SARS-Virus von 2003, ein guter Ausgangspunkt für die Entwicklung eines COVID-Impfstoffs sein. In diesem Fall könnte man sich die Ähnlichkeit beider Viren zunutze machen. Man könnte auch überlegen, regulatorische Prozesse zu beschleunigen und z. B. den Zugang zu einem neuen Impfstoff für eine Spezialgruppe in der Bevölkerung als Ausnahmesituation zu ermöglichen. Fundamental für eine gezieltes Voranbringen von Innovationen sind eine gute Wissenschaftsvernetzung und ein valider Datenaustausch.

Bei all dem geht es immer um die übergeordnete Nutzen-Risiko-Abwägung. Hier liegt es an der Zulassungsbehörde zu entscheiden, ob dies beim Coronavirus mit der aktuellen Sterblichkeitsrate zu einer Ausnahmeregelung führen kann. Dadurch ergeben sich viele Fragen, sowohl für die Europäische Arzneimittelagentur (EMA), die über die Zulassung entscheidet, sowie Haftungsfragen.

Es gibt viele Ansätze, um die aktuelle Pandemie einzudämmen Diese zu forcieren und zielgerecht zu steuern, ist die große Herausforderung dieser Tage.

 

Weiterführende Informationen:

Impfung und Immunisierung bei COVID-19