Verfahren zur Änderung des Erbguts stehen schon seit langem im Fokus der Wissenschaft und Öffentlichkeit. So auch die neue Methode CRISPR/Cas. Deshalb hat man das Urteil über die rechtliche Einordnung von Genome Editing Verfahren mit Spannung erwartet. Nun ist es soweit: Der Europäische Gerichtshof hat Organismen, die durch Mutagenese entstanden sind, als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) eingestuft. Dies löst kontroverse Reaktionen hervor.

Die Genschere CRISPR/Cas

Unter das neue Gesetz fallen somit auch Organismen, die durch CRISPR/Cas entstanden sind. Dieses Verfahren ist ein Meilenstein in der Geschichte des Genom-Editings. Mit ihm lässt sich das Erbgut aller Lebewesen schneller, gezielter und günstiger verändern als je zuvor. Das molekularbiologische Werkzeug wurde ursprünglich als Abwehrmechanismus von Bakterien gegen Viren entdeckt. Es kann das Erbgut an einer gewünschten Stelle exakt schneiden und Gene ausschalten oder verändern.

Woraus besteht das Tool, die sogenannte „Genschere“?

Zum einem aus einer bestimmten genetischen Basenabfolge auf der DNA, der Sonde CRISPR. Der Name CRISPR mag nach krossem Müsli klingen, er steht aber für „clustered regularly interspaced short palindromic repeats“. Eine DNA-Sonde, die wie eine postalische Adresse wirkt und an einer bestimmten Stelle andockt.

Zum anderem besteht das genetische Werkzeug aus einem Enzym Cas, das die DNA direkt an dieser angedockten Stelle schneidet.

Welche Möglichkeitet bietet das Werkzeug?

Die Sonde lässt sich mit dem passenden biologischen Code für ein gewünschtes Gen ausstatten. Sobald auf der DNA in der Zelle dieser gesuchte Genabschnitt mithilfe der Sonde gefunden ist, lässt sich mit der „Gen-Schere“ an exakt dieser Stelle einen präzisen Schnitt setzen. So lässt sich das Gen ausschalten oder die DNA anschließend „umschreiben“, also eine gezielte Änderung in der Basenabfolge einführen.

Anwendungsmöglichkeiten von CRISPR/Cas

Das Verfahren wurde 2012 erstmals von der französischen Biochemikerin Emmanuelle Charpentier und ihrer US-Kollegin Jennifer Doudna beschrieben. Es ermöglicht Anwendungen zur gezielten Veränderung von Nutzpflanzen und im Bereich der medizinischen Forschung, z. B. zur Krebsentstehung. Auch genetische Erbkrankheiten wie Zystische Fibrose und Muskeldystrophie könnten damit behandelt werden, wenn es gelingt, die fehlerhaften Genabschnitte präzise auszuschalten. Durch Entfernung der Genome von Krankheitserregern ist auch denkbar, chronische Infektionskrankheiten wie HIV oder Malaria behandeln zu können. Im Fall von HIV ließen sich beispielsweise die Andockstellen der Viren auf den Zellen ausschalten.

In der Malaria-Forschung haben Studien bereits beschrieben, wie die Entfernung eines einzigen Gens im Genom der Mücke Anopheles gambiae diese gegenüber dem Malaria-Erreger Plasmodium resistent macht. Somit würde die Malaria-Mücke kein Krankheitsüberträger mehr sein. Es bleibt jedoch offen, ob die veränderten Organismen in der Natur in der Lage wären, mit ihren Wildtyp-Artgenossen zu konkurrieren.

Welche Gefahren gibt es?

Bei all den aussichtsreichen Perspektiven ist das Verfahren jedoch umstritten, da bereits eine geringe Fehlerrate fatale Folgen haben kann, wie etwa unkontrolliertes Zellwachstum. Auch können durch eine gezielte Veränderung von Keimzellen mit CRISPR/Cas eingebrachte Mutationen an Nachkommen weitergegeben werden. Potenziell auftretende Fehler können so für immer im Erbgut gespeichert sein. Auch optimierende Veränderungen werfen ethische Fragen auf.

Mutagenese – Zielscheibe getroffen?

Gentechnisch veränderte Organismen finden im Allgemeinen in der Öffentlichkeit wenig Akzeptanz. Die Entscheidung, durch Genome Editing hervorgegangene Organismen als GVO einzuordnen, stößt deshalb auf große Kritik in den Branchen der Biotechnologie und Pflanzenwissenschaften. Dabei könnten ihnen zufolge mit den neuen Verfahren Organismen gezielt so verändert werden, dass Organismen entstehen, wie sie auch natürlicherweise vorkommen. Da die Genschere vollständig abgebaut wird, sind im Gegensatz zu transgenen Organismen keine Fremdgene enthalten. Darüber hinaus seien die neuen Methoden zur Veränderung des Erbguts – verglichen mit bereits eingesetzten Mutagenese-Verfahren mittels Chemikalien oder ionisierender Strahlung – äußerst genau und zielgerichtet. Zuletzt genannte Verfahren bleiben jedoch weiterhin von der GVO-Richtlinie ausgenommen.

Mutagenese ist generell die artifizielle Erzeugung punktueller Änderungen im Genom eines biologischen Organismus. Sie entstehen auch ohne Eingriffe durch den Menschen, z. B. durch Sonnenlicht. Mutationen bringen neue Eigenschaften hervor. Daher werden sie seit Jahrzehnten in der Pflanzenzüchtung erwirkt – durch radioaktive Strahlung und chemische Substanzen. Man nennt diese Mutationen ungerichtet: Denn die Stellen im Erbgut, an denen die zahllosen Mutationen entstanden sind, kennt man nicht. Die neuen Gentechniken hingegen könnten laut der Biotechnologie-Branche eine erwünschte Mutation direkt und gezielt im Erbgut erzeugen.

Sicher ist, dass viele Mutanten natürlich entstehen können. Und: Es ist wünschenswert, vielen durch Mutationen verursachten Krankheiten, von Krebs bis zu Erbleiden, zielgerichtet und ohne Risiken entgegentreten zu können. Dabei sollte immer die Behandlung von Krankheiten im Fokus stehen. Denn es geht nicht um generelle Unversehrtheit der Menschen durch Eingriffe in die Keimbahn. Denn dies würde die menschliche Evolution beeinflussen. In Deutschland ist die Forschung an Embryonen generell verboten.

CRISPR/Cas auf dem Feld

In der molekularen Pflanzenzüchtung ist das Verfahren dann sicher und zielführend, wenn nur diejenigen Pflanzen verwendet werden, die genau die gewünschte Mutation tragen. So könnten Reissorten entstehen, die widerstandsfähig gegen Schädlinge oder Dürre sind. Gerade unter dem Aspekt des Klimawandels ist dies ein prospektiver Ansatz. Auch gibt es Ansätze zur Entwicklung neuer Kartoffel-Sorten. Sie sollen beim Anbraten einen geringeren Anteil an krebserregendem Acrylamid erzeugen, andere sollen resistent gegen die Knollenfäule sein.

In den USA gibt es bereits erste Freisetzungsversuche mit CRISPR-Pflanzen. In der Landwirtschaft wird das Verfahren vielerorts als Chance gesehen, im Hinblick auf die Sicherstellung der Ernährung sowie Nachhaltigkeit durch geringeren Wasser- und Pestizidverbrauch. Wichtig bei alledem ist, dass der Profit durch gentechnisch veränderte Pflanzen tatsächlich dort ankommt, wo er gebraucht wird: bei der Bevölkerung.

All diese Aspekte zeigen, dass Genom-Editierung wissenschaftlich fundierte klare Richtlinien braucht. Die Folgen des Urteils, sowie die Methoden und deren Chancen und Risiken sollten auch in der öffentlichen Gesellschaft stärker beachtet werden. Letztendlich muss man sich die Frage stellen: Für welche Zwecke sollten wir die Genschere einsetzen? Sicher nicht, um ein Baby nach Maß zu erzeugen.