„Wir wollen alle das Gleiche: Saubere Luft, sauberes Wasser und Energie“. Und: „Als Industrieland sind wir ressourcenintensiv“. Das waren die am meisten vernommene Aussagen beim Kongress BW 2024 Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft. Simpel? Sicher nicht! Sonst hätte man hier nicht die pure Power und Begeisterung dafür erlebt.
Eingeleitet wurde der Kongress am 16.10.24 von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der für eine Dekarbonisierung Recycling und Circular Economy als unabdingbar hält. „Alle Abfallströme sind die Rohstoffquellen der Zukunft.“ Kretschmann nannte den großen ökologischen Rucksack, den Metalle haben (rund 30 Mio. t/Jahr). „Bauten sind ein riesiges Material- und Rohstofflager. Durch Recycling machen wir Ausgangsstoffe verfügbar, ohne lange Transportwege, das macht uns zudem unabhängiger und wettbewerbsfähig.“

Kongress-BW_Winfried-Kretschmann
Von Net Zero bis klimapositiv – und zwar bereits angepackt
Dr. Alina Amann von MVV Energie AG stellte innovative Verfahren vor – von der zweiten Flusswärmepumpe bis hin zur Pyrolyse mit CO2-negativer Bilanz mithilfe von Pflanzenkohle. Perlschnurartig und chronologisch auf einer Roadmap aufgeführt, und das transparent. Denn – wie schon beim Hackathon „Decarbonize the Planet“ am 7. September in Mannheim verdeutlicht wurde – es sollen alle mitgenommen werden. Der Dreiklang aus gesellschaftlicher Akzeptanz, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit sei das Fundament. Das Ziel der MVV-Road: bis 2035 als eines der ersten Energieunternehmen in Deutschland klimapositiv zu sein. Sportlich macht Spaß, finde ich, es bedeutet: Es geht auf wohltuende Weise vorwärts.

Alina Amann, MVV Enegie, beim Kongress BW
Den Switch eines CO2-intensiven, „langweiligen“ Produkts Zement zum ersten CO2-freien Zement erklärt Dr. Dominik von Achten von Heidelberg Materials. Rund 7 % der CO2-Emissionen weltweit stammen aus der Zementindustrie. Das Heidelberger Unternehmen will das ändern, zum einen durch ihr innovatives Net-Zero-Produkt, zum anderen durch 3D-Druckbeton wie beim Wavehouse in Heidelberg, das aus 100% recycelbaren Material mit 55% weniger CO2-Emissionen errichtet wurde. Und natürlich geht es um Carbon Removal. Ohne CCS und CCU ist eine Klimaneutralität nicht zu schaffen, wie viele Referent:innen erklären.
Transformation zielgerichtet leiten – Leitung ist inzwischen der Kern der Witzenmann Group, wie wir dem Vortrag von Geschäftsführerin Christine Wüst entnehmen. Spezifische Leitungen und Bauteile für die Speicherung und Transport von Wasserstoff sind das Herz des Pforzheimer Unternehmens. Christine Wüst erkläre den beherzten Weg des Automobilzulieferers zu den dekarbonisierten Produkten.
THE LÄND mit dem Lösungs- statt CO2-Rucksack
Besonders spannend: Die Pitches der Start-ups.

Katrin Schuhen, Wasser 3.0, beim Kongress BW
Vor allem Dr. Katrin Schuhen von Wasser3.0gGmbH hat mich gefesselt: „Mikroplastik ist überall, im Wasser, im Essen, in der Luft. Und es gibt keine Regularien“. Längst ist nachgewiesen, dass wir Mikroplastik in Chipkarten-Größe in unserem Körper haben. Das Start-up weist Mikroplastik-Partikel mit Fluoreszenzmarkern nach, entfernt sie mit einer wartungs- und schadstofffreien Technologie, bei denen die Partikel zu Agglomeraten verklumpen, und ermöglich ein Recycling der Plastikpartikel. Am Abend stand fest: 1. Platz für die Wasser3.o gGmbH bei der Preisverleihung der Kick-Start Green Innovations.
Nicht weniger perspektivenreich die zweiten und dritten Sieger: MELT-Ing GmbH, die skalierbare Wärmespeicherplatten für den Bau herstellen, die die Wärmepumpen ergänzen und Netze entlasten. Und Ecalia, die die Energieeffizienz von Wärmepumpen und Klimaanlagen erheblich steigern. Weitere Start-ups zeigten u. a. umweltfreundliche Verackungslösungen und Lösungen zur Lebensmittelversorgung durch Vertical farming – schließlich importieren wir ca. 40 % unseres Gemüses.
Hier geht’s zu einem Artikel zu Vertical Farming: Vertical Farming zur kontinuierlichen Produktion weiterentwickelt
Digitalisierung ist in der Start-up-Landschaft beherrschendes Thema. Ob es um intelligentes Management von Energiesystemen, innovative digitale Systeme, etwa zur Senkung des Wasserverbrauchs, oder End-to-End-Ladekonzeptionen geht, eins ist klar: THE LÄND steckt voller Potenzial!

Handlungsfeld Bioökonomie, Vortrag beim Kongress BW
Technologien sind da, überzeugend und zukunftssattelfest
Interessant auch das Plenum Handlungsfeld Bioökonomie der Metropolregion Rhein-Neckar und der Technologie Region Karlsruhe, die sich das Matching von regionalen Akteuren auf die Brust geschrieben haben und die Projektanbahnung unterstützen. Beide Regionen haben sich zusammengeshclossen, um Informationen und Kommunikation zu relevanten Entwicklungen nach außen zu befördern und die Umsetzung voranzubringen. Einblicke in die Umsetzung erhielt das Publikum durch Dr. Joachim Schulze, Geschäftsführer der Bio-Consulting GmbH. Als Chemiker kenne er viele Hürden bei der Realisierung bioökonomischer Projekte und nannte auch ein paar gescheiterte Vorhaben – auch Lessions learned bringt voran. Gleichzeitig konnte er aber viele spannende, erfolgreiche Umsetzungen hervorheben, die zu enormen Reduktion ehemals CO2-intensiver chemischer Produkte führen. Eines seiner Herzensthemen, das auch viele junge Menschen beschäftigt: Die Reduktion bzw. Ersatz von Fleischprodukten. Denn 70 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland dient der Nutztierhaltung oder Erzeugung von Futtermitteln. Es ist bekannt: Fleisch erzeugt rund zehnmal mehr Treibhausgase als Gemüse und liefert dabei erheblich weniger Energie.
Die Aussteller auf dem Kongress zeigten angegangene sowie umgesetzte Lösungen in Hinblick auf Klimaneutralität, ob beim Bau, Wärme- oder Energiemanagement bis hin zu individuellen Produktn.
Fakt ist: Technologien sind da, überzeugend und zukunftssattelfest – „zukunftsausgerichtet“ lasse ich, es klingt nach „ja, irgendwann“, „wird mal jemand machen“. Es geht um die Umsetzung. Jetzt. Beeindruckend auf diesem Kongress: Es zählen keine Partikularinteressen, der Fokus liegt auf dem großen Ganzen: eine umwelt- und klimaschonende Welt. Ressourcenschonend und -wiederverwertend. Und: Die meisten vorhandenen Lösungen zahlen sich jetzt bereits aus, werden immer günstiger und machen uns unabhängiger von prekären Verhältnissen. Klimaschutz ist aktive Wirtschaftspolitik, wie auch Umweltministerin Thekla Walker die Rolle innovativer GreenTech Lösungen auf den Punkt brachte.
Was mir persönlich noch fehlte: mehr Ansätze zur Förderung der Biodiversität. Was aber den Rahmen diesen Themenkongresses sprengen würde. In einigen Ansätzen, vor allem denen der Start-ups, fließt der Aspekt Biodiversität mit ein. Unter dem Strich ist klar: Schaffen wir gesündere Lebensumstände, können sich auch einige Arten wieder ansiedeln – jedoch müssen wir schnell handeln, um Irreversibilität zu vermeiden (Stichwort Kippunkte). Investieren wir jetzt!
Weitere Informationen zu Kongress BW: https://www.kongress-bw.de/de
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